Der Amazonas Flussdelfin (Inia geoffrensis) zählt zu einer Handvoll von Delfinarten, der – anders als
die meisten der insgesamt etwa 80 Wal- und Delfinarten – nahezu ausschließlich im Süßwasser heimisch ist. Im
Gegensatz zu seinen nächsten Verwandten - dem Chinesischen Flussdelfin, dem Indus Delfin sowie dem Ganges-Delfin
-, die allesamt in Asien vorkommen (der Chinesische Flussdelfin gilt heutzutage jedoch als ausgerottet), leben der
Amazonas Flussdelfin sowie der ebenfalls den Lebensraum Süßwasser bevorzugende La-Plata Delfin auf dem
südamerikanischen Kontinent. Allen diesen Flussdelfinen ist gemein, dass sie in großen und teilweise sehr
schlammigen Flüssen vorkommen, mit Ausnahme des La-Plata Delfins, der mehr in Flussmündungen und Küstengewässern
anzutreffen ist.
Nicht nur Flussdelfine, auch Meeresdelfine sind nicht selten in Küstengewässern vorzufinden. Manche, so auch der
heimische Schweinswal der Nord- und Ostsee, schwimmen gelegentlich sogar Flussmündungen hinauf. Eine Verwechslung
zwischen Fluss- und Meeresdelfinen kann jedoch nicht erfolgen, da sich die Tiere im äußeren Erscheinungsbild und
im Verhalten deutlich unterscheiden. Flussdelfine sind relativ keine Delfine, die selten eine Körperlänge von
mehr als 2,5 m erreichen. Auffälligste Merkmale sind die sehr lang gezogene schlanke Schnauze mit spitzen Zähnen
zum Fangen der Beute sowie sehr breite Flipper, um sich in der Strömung der Flüsse treiben zu lassen. Die Augen
aller Flussdelfine sind sehr klein, da ein gutes Sehvermögen in den trüben Flüssen wenig hilfreich ist. Im Gegenzug
ist das Sonarsystem der Flussdelfine sehr gut entwickelt, um die Umgebung und potenzielle Beute zu orten. Auffällig
ist zudem ein beweglicher Nacken, der Meeresdelfinen fehlt, und eine Anpassung an das sehr langsame Schwimmverhalten
der Flussdelfine ist. Anders als bei Meeresdelfinen, die schnell schwimmend ihre Nahrung erbeuten, ergreifen die
langsam in der Flussströmung treibenden Flussdelfine ihre Beute vornehmlich durch schnelle Seitwärtsbewegungen ihres
Kopfes.
Aufgrund des langsamen Schwimmverhaltens der Flussdelfine hat sich deren Rückenflosse im Laufe der Evolution stark
zurückgebildet, da diese nicht mehr zur Stabilisierung benötigt wird. Vielmehr schwimmen Flussdelfine nicht
selten in Seitenlage oder sogar auf dem Rücken. Beim Auftauchen der Flussdelfine an der Wasseroberfläche sieht man
somit nicht die für viele Delfinarten charakteristische Rückenflosse, sondern nur eine stark zurückgebildete Finne,
die beim Amazonas Flussdelfin eher wie eine lange Rückenleiste wirkt. Ohnehin kann man Flussdelfine selten oberhalb
der Wasseroberfläche beobachten, da sie im Gegensatz zu den meisten Meeresdelfinen nicht sehr springfreudig sind.
Ein weiterer Unterschied zu den Meeresdelfinen ist, dass der Flussdelfin vornehmlich als Einzelgänger lebt. Während
Meeresdelfine grundsätzlich in kleinen bis großen Sozialgruppen leben, sind Flussdelfine vornehmlich einzeln
unterwegs. Zumeist nur zur Paarungszeit finden Männchen und Weibchen zueinander. Größere Ansammlungen von
Flussdelfinen findet man fast ausnahmslos während der Trockenzeit, wenn die Tiere an futterreichen Stellen
zusammen kommen. In der Regenzeit breitet sich das Verbreitungsgebiet der Delfine erheblich aus. Die Tiere
ziehen dann in die Überschwemmungsgebiete, um im flachen Wasser nach Beute zu jagen, die vornehmlich aus
Fischen und Krabben besteht. In dieser regenreichen Zeit leben die Tiere fast immer alleine, mit Ausnahme
von Muttertieren, die ihr Jungtier aufziehen.
Wie der Name verrät, lebt der Amazonas Flussdelfin in dem riesigen Flusssystem des Amazonas sowie seiner
Nebenflüsse, wie u.a. dem Orinoko und dem Madeira. Mit einer maximalen Körperlänge von 2,5 m und einem
Gewicht, das gut 150 kg erreichen kann, ist der Amazonas Flussdelfin der größte Vertreter der Flussdelfine.
Auffällig ist die teilweise rosa Hautfärbung, weshalb der Amazonas Flussdelfin im englischen Sprachgebrauch
auch als „Pink Dolphin“ bezeichnet wird. In Südamerika sind die Namen „Inia“ oder „Boto“ am gebräuchlisten.
Nach einer Tragzeit von etwa 9 Monaten kommt ein Jungtier zur Welt, dass von dem Muttertier alleine versorgt
wird, auch wenn der Vater gelegentlich in der Nähe verbleibt. Bei der Geburt ist der Jungdelfin ca. 80 cm lang
und wiegt bis zu 7 kg. Die Geschlechtsreife wird nach frühestens 4 oder 5 Jahren erreicht, wenn die Tiere eine
Körpergröße von mindestens 2 m erreicht haben. Die Lebenserwartung im Freiland dürfte bei etwa 30 Jahren liegen.
Der bislang älteste bekannte Flussdelfin lebte im Zoo Duisburg und erreichte ein Alter von über 50 Jahren.
Amazonas Flussdelfine haben wenige natürliche Feinde. Gelegentlich fallen einzelne junge oder geschwächte Tiere
einem Kaiman, einem Jaguar oder einer Riesenschlange zum Opfer. Gebietsweise werden Flussdelfine aber auch
gezielt vom Menschen gejagt, nicht selten nur deshalb, um als Köder für den Fang der äußerst beliebten
Silberantennenwelse zu dienen, die zu den begehrtesten Speisefischen in Südamerika zählen. Trotz steigender
Fangzahlen gilt die Gesamtpopulation des Amazonas Flussdelfin noch nicht als bedroht. Damit dieses so bleibt,
engagiert sich die Naturschutzorganisation YAQU PACHA für den Erhalt der bedrohten Meeressäugetiere Südamerikas.
Der Zoo Duisburg ist Kooperationspartner YAQU PACHAs und unterstützt deren Aktivitäten mit Manpower und
finanziellen Mitteln, um die Zukunft der Amazonas Flussdelfine zu sichern.
Nach den ersten erfolgreichen Versuchen in den 1960er Jahren mit der Haltung von Großen Tümmlern und Weißwalen
im Zoo Duisburg, war seinerzeit das Interesse geweckt, sich auch an die Haltung der damals nahezu unbekannten
Flussdelfine heran zu wagen. Als erster und bis heute einziger Zoo Europas erlangte der Zoo Duisburg im Jahre
1975 seine Amazonas Flussdelfine. In abenteuerlichen, heutzutage kaum mehr vorstellbaren Fangaktionen gelang
es dem damaligen Duisburger Zoodirektor, Dr. Wolfgang Gewalt, gemeinsam mit einem Fangteam eigener und lokaler
Mitarbeiter insgesamt 5 Amazonas Flussdelfine in den Flussläufen des Rio Apure in Venezuela zu fangen und nach
Duisburg zu überführen – ein erwachsenes Männchen, ein jungerwachsenes Männchen, ein Muttertier mit einem
männlichen Jungtier sowie ein altes Albinoweibchen.
Die Unterbringung im Zoo Duisburg erfolgte im neu errichteten sogenannten Tonina-Pool, einem Anbau an das
Aquariumgebäude des Zoos, mit einem ca. 40 m² großem Becken inkl. eines kleinen Nebenbassins. Die Besuchereinblicke
in das Hauptbecken waren durch zwei große Unterwasserfenster gegeben, so dass man die Delfine, ähnlich wie Fische
im Aquarium, bei ihrem Treiben unter Wasser beobachten konnte. Die Ausleuchtung des bis zu 2,5 m tiefen
Beckenwassers erfolgte durch Plexiglaskuppeln im Flachdach oberhalb des Pools sowie durch zusätzliche Leuchtstrahler.
In angrenzenden Räumen waren Laboreinrichtungen für die tägliche Wasseranalyse, die Futterküche sowie ein Abstellraum
gegeben. Im schallisolierten Untergeschoss waren die Filteranlagen und Umwälzpumpen untergebracht zur Reinhaltung des
Beckenwassers, wobei der Zoo sich hierbei an der bereits seit den 1960er Jahren bewährten Filtertechnik des
Delfinariums orientierte, mit dem Vorteil der Flussdelfin- gegenüber der Meeresdelfinhaltung, dass man nicht
auf Salzwasser angewiesen war und ist, so dass deutlich weniger Korrosionsschäden als bei der Meeresdelfinhaltung
zu verzeichnen sind.
Die Eingewöhnung der Flussdelfine im neuen Umfeld des Zoos verlief erstaunlich gut. Die Tiere nahmen die
angebotenen Futterfische problemlos auf und zeigten selbst in der Gruppe von insgesamt 5 Tieren kein aggressives
Verhalten untereinander, obschon Flussdelfine von Natur aus eher Einzelgänger sind. Herausforderungen stellten
anfängliche Hautentzündungen und Wurmbefall dar, die trotz der zur damaligen Zeit fehlenden veterinärmedizinischen
Kenntnisse in den Griff zu bekommen waren.
Gleichwohl blieben Rückschläge nicht aus. Wenn auch der Tod des sehr alten und bereits beim Fang deutlich geschwächten
Albino-Weibchens zu erwarten war (das Tier starb ein halbes Jahr nach der Ankunft in Duisburg an Altersschwäche), so
waren der Verlust des Muttertieres im Folgejahr sowie der Tod des jungerwachsenen Männchens im Jahr 1978 eher
überraschend. Umso erfreulicher, dass das erwachsene Männchen sowie das sich stattlich entwickelnde männliche
Jungtier fortan allerbester Gesundheit erfreuten und über Jahre die Besucher im Tonina-Pool erfreuten.
Trotz aller Faszination, die diese seltenen Flussdelfine bei den Zoobesuchern vermittelten, wurde auch hier –
ähnlich wie auch bei anderen Zootieren – mit der Zeit der Ruf laut nach einer größeren und naturnah gestalteten
Anlage.
Im Jahr 2004 konnte eine solche Neuanlage eröffnet werden. Unmittelbar angrenzend an das Aquariumgebäude entstand
auf einer Grundfläche von 35 x 25 m eine riesige Tropenhalle mit Stahlträgern und lichtdurchflutenden Mehrfachstegplatten
im Dach- und Wandbereich. Innerhalb der für Besucher begehbaren, üppig begrünten Halle entstand ein 655 m³ Wasser
umfassender Beckentrakt als neue Heimstätte für die Flussdelfine mit einer Gesamtwasseroberfläche von mehr als 300 m².
Das Beckensystem ist um eine zentrale, begrünte Insel angelegt und kann bei Bedarf in drei Einzelbecken aufgeteilt
werden, wovon allein das bis zu 4 m tiefe Hauptbecken insgesamt 480 m³ Wasservolumen umfasst. Die einzelnen Becken
sind mittels manuell einzuführender Schotten wasserdicht voneinander trennbar.
Über bzw. durch zwei riesige, bis auf das Bodenniveau des Beckentraktes reichende gebogene Panoramascheiben erhält
der Besucher Einblick in den Unterwasserbereich. Die zur Besucherseite konkaven Scheiben sind mit einer Länge von
12 bzw. 6 m vermessen. Die in Japan gefertigten Spezialscheiben, die mittels Schiff und LKW nach Duisburg verbracht
wurden, weisen eine Höhe von 2 m und eine Dicke von 9 cm aus und mussten beim Bau der Anlage mit einem Spezialkran
in ihre Position gebracht werden. Der Zoobesucher kann unmittelbar an die Scheiben herantreten, um die Delfine
hautnah zu erleben und sowohl unter als auch über Wasser beobachten zu können.
Anders als im ursprünglichen Tonina-Pool mit seinen nackten Betonwänden sind alle Beckenteile in der Tropenhalle
Rio Negro stark unregelmäßig geformt und mit Spritzbeton und Naturhölzern naturnah gestaltet. Die Beckentiefe
variiert von 30 cm bis zu 4 m.
In einem angrenzenden, doppelstöckigen und schallisolierten Techniktrakt sind die Futterküche sowie die Filtertechnik
untergebracht. Wie bereits im Tonina-Pool beruht die Reinigung des Beckenwassers auf mechanische, biologische und
physikalische Mechanismen, mit einem geschlossenen Wasserkreislauf, ohne jeglichen Zusatz desinfizierender chemischer
Stoffe.
Die Absaugung des aufzubereitenden Beckenwassers erfolgt über Boden- und Wandabsaugungen sowie über Skimmer am Beckenrand.
Über die Skimmer und feinmaschige Edelstahlsiebe werden grobe Schmutzpartikel zurückgehalten, bevor das Wasser in einen
Vorlagebehälter gelangt. Für die Feinfiltration wird das Beckenwasser aus dem Vorlagebehälter in zwei Mehrschichtfilter
gepumpt und anschließend zwecks einer biologischen Filtration in einen nahezu 5 m hohen Rieselfilter geleitet. Nach einer
abschließenden UV-Entkeimung, um verbliebene Mikroorganismen abzutöten, wird das gereinigte Beckenwasser wieder dem
Beckentrakt zugeführt.
Die Umsetzung der beiden verbliebenen Flussdelfine nach gut 30 Jahren im Tonina-Pool im Jahr 2004 in die neue
Beckenlandschaft der Tropenhalle Rio Negro verlief ohne Probleme. Die Tiere passten sich ohne große Eingewöhnung
an das neue Umfeld an, obschon insbesondere bei dem bereits sehr betagten Alttier Sorge bestand, ob dieser sich
zurecht finden würde. Weitere zwei Jahre lebte das Alttier im Rio Negro, bevor es im sehr hohen Alter von über 50
Jahren als ältester bekannter Flussdelfin verstarb. Das verbliebene Männchen, das bei der Ankunft im Zoo Duisburg
im Jahr 1975 geschätzte 2 Jahre alt war, lebt seither alleine im Beckentrakt, was letztendlich dem Naturell der
im Freiland einzelgängerischen Flussdelfine entspricht.